Lichtenbergfigur

Was ist „Elektrizität“?

Die Physik hat sich erst relativ spät mit diesen geheimnisvollen Vorgängen befasst und nach und nach versucht, sie in mechanistische Modelle zu fassen.

Zuerst vermutete man eine Art von Flüssigkeit – ein elektrisches Fluidum – dass sich im Inneren der materiellen Körper aufhält. Sie können es aufsaugen und halten, so wie ein Schwamm das Wasser aufsaugt. Und durch Reibung kann die elektrische Flüssigkeit hervorgelockt werden. 

Die große Frage war dabei: Gibt es nur ein elektrisches Fluidum oder sind es deren zwei?

Station Lichtenbergfiguren

In der Zeit dieser Auseinandersetzung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hat Georg Christoph Lichtenberg interessante und ästhetisch reizvolle „Elektrische Figuren“ entdeckt.

In der Station LICHTENBERGFIGUREN lassen sich solche Figuren herstellen und in ihrer großen Vielfalt variieren.

Lichtenberg unterschied zwei Grundtypen von Figuren – er sprach von „sonnenartigen“ Figuren und von „mondartigen“ – und er sah darin ein Argument, das für die Zweifluida-Theorie sprach.

Interessant finde ich, dass diese ersten rationalistischen Modelle und Theorien, die man erprobte, in die Zeit des aufkommenden Kapitalismus fallen. Und es war kein geringerer als Benjamin Franklin, der – von Wirtschaft und Geldwesen herkommend – an der Erforschung und Modellentwicklung zur Elektrizität führend teilnahm.

Er beendete den Streit, ob es eine oder zwei „elektrische Materien“ gäbe, indem er das elektrische Fluidum mit dem Geld verglich, das ja auch häufig als eine Art von Flüssigkeit angesehen wird.

Die  festen Körper, die mit dieser Flüssigkeit dann „geladen“ (engl. „charged“) sind, verglich er aber nicht mit einer Geldbörse, dem typischen Behälter für Geld, sondern er ging einen Abstraktionsschritt weiter: Die Körper entsprechen einem Konto. 

Und der entscheidende Unterschied zwischen Geldbörse und Konto ist der, dass man vom Konto auch dann noch etwas herausnehmen kann, wenn gar nichts mehr drinnen ist – man kann es „überziehen“.

Tut man das, dann kommt man rechnerisch ins Minus.

Und genau diese mathematische Begrifflichkeit übertrug er nun auf die Elektrizität: Es gibt nur eine Art von elektrischem Fluidum. Man kann damit einen Körper „aufladen“, dann ist er „positiv“ geladen. Saugt man hingegen Fluidum heraus, wenn ein Körper schon „leer“, also neutral ist, dann wird er „negativ“ geladen.

Auf diese Weise also hat Franklin – vom Geldwesen kommend – den Begriff der elektrischen „Ladung“ geprägt.

Es ging dem Pragmatiker aus der Neuen Welt ja nicht um die ästhetischen Qualitäten der elektrischen Phänomene – wie sie sich etwa in den Lichtenbergfiguren zeigen – sondern um deren effiziente Verwaltung und Beherrschung.

Es musste noch ein langer Weg bis zum heutigen Verständnis von Elektrizität und Magnetismus zurückgelegt werden. Eine wesentliche Grundlage aber war gelegt: Immer stärker wurde das Reich der Elektrizität zum Inbegriff des „Schaltens und Waltens“. 

Unsichtbar, exakt und mit unvorstellbarer Geschwindigkeit gehen die Prozesse in einer elektrischen „Schaltung“ vor sich; zuerst noch mit analogen elektronischen Bau- und Schaltelementen, heute fast nur mehr digital.

So erinnern sie weit eher an die immaterielle Welt des Bewusstseins und der schnell fliegenden Gedanken als an die vergleichsweise langsam ablaufenden sinnlich wahrnehmbaren Naturprozesse, die wir leiblich fühlen und erleben.

Die Station GUMMIBATTERIE ist eine meiner jüngsten Erfahrungsstationen. 

Hier setze ich eine ganz andere Form von Analogie ein: Nicht die von Flüssigkeit und Schwamm – aus der sich schließlich elektrische STRÖME ergeben, sondern die Analogie der elastischen SPANNUNG wie wir sie von einer Feder oder einem Gummifaden her kennen.

Ziehe ich ein Gummiseil – etwa einen Gepäcksspanner – auseinander, so muss ich an beiden Seiten kräftig ziehen. Je weiter ich ziehe, desto stärker muss die aufgebrachte Kraft werden.

Ich muss mit meinen Armen eine „Zangenkraft“ ausüben. Eine „Spannung“ am Gummi kann ich nur so weit erzeugen, wie die Kräfte der beiden Arme in entgegengesetzte Richtungen ziehen. Kraft und Gegenkraft muss gleich stark sein.

Hier zeigen sich schon zwei typische Elemente der Elektrizität: Es gibt immer zwei Pole und aus dem koordinierten Zusammenspiel von Kraft und Gegenkraft lässt sich eine „Spannung“ erzeugen.

In der Station GUMMIBATTERIE ist eine ganze „Batterie“ von gleich langen Gummiseilen nebeneinander eingespannt und man kann diese mit einem Seilzug und Kurbelrad auseinander ziehen. 

Je weiter ich ziehe, desto größer wird die Spannung. Diese „Spannung“ wird in der Station auch hörbar durch eine Saite, die mitgespannt wird und – angeschlagen durch ein Pendel – einen immer höher werdenden Klang von sich gibt.

Jetzt kann das Rad arretiert werden und die hinein geladene Energie ist gespeichert. Das Gestell hält die Spannung aufrecht.

Löse ich später die Arretierung, so können sich die Gummispanner wieder zusammenziehen und das Rad dreht sich zurück.

Am Rad – es handelt sich um das Laufrad eines Fahrrades – läuft ein kleiner Dynamo mit und verwandelt die jetzt wieder herausfließende Energie in Elektrizität.

Damit wird eine Wasserpumpe betrieben, die einen Wasserstrahl aufsteigen lässt. Ein kleiner Scheinwerfer, gespeist von derselben Energie, beleuchtet das Geschehen.

Diese „Batterie“ der gespannten Gummiseile kann gar nicht so wenig Energie speichern: ca. 100 Joule.

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